Von Henne, ein ganz
normaler Reisebericht...
Zehntausende
deutsche fahren jedes Jahr nach Mallorca, um die erfolgreiche Saison zu feiern.
Auf diese Abschlussfahrten haben wir uns spezialisiert, wir werben mit dem Exzess..Wir
sind es, wie jedes Jahr..!!
Der Nachthimmel über Cala Ratjada hängt voller roter und blauer Neonröhren, aber wenn
morgens die Lichter des Bolero, des Casanova und der anderen Bars und Discos
erlöschen, wird die Stadt grau wie Beton. Während die Männer von der
Straßenreinigung mit Kehrmaschinen und schenkeldicken Rohren die letzte Nacht
vom Gehweg saugen, sinken unsere Jungs in ihre Hotelbetten; so mancher fährt
sein Programm erst um zwei Uhr nachmittags wieder hoch: Treffen beim Supermercado für den Rest morgens um acht, wo die
Schubkarren für den Nachschub warten, wenn der Vfl
Wolfsburg (Hurra, das ganze Dorf ist da und wenigstens einer hat das Trikot des
aktuellen Meisters an..) wieder läuft, nachdem er erst mal zwanzig gemacht hat
und den Einstellungstest mit Feuerwehr-Hindernisparcour
am Strand erfolgreich bewältigt hat...
Wer rechtzeitig wach ist, kann sich aber auch ein paar Gespritzte
an der Baguetteria holen, wie immer Baguette Viagra
doppelt scharf und für die Abiturientinnen aus Wanne-Eickel nur mit Putenbrust,
denn mit Sport habt ihr wenig am Hut, nicht wahr Mädels..Unsere Freunde Toni
und Miguel sind auch immer zu einem kleinen Mesclat
bereit, damit die Straße frisch geteert ist..Und zum
Glück sind beim neuen Hotel gleich zwei Supermärkte auf dem Weg! Das Reiseziel
steht fest. Bisschen den Kopf freisaufen und viele
Sorgen vergessen..
Cala Ratjada
ist einfach. Es gibt Sonne, Strand, Discos und Alkohol, andere Drogen gibt es
auch, viel mehr aber nicht. Trotzdem ist hier alles möglich, so sieht es
jedenfalls aus. Die Stadt ist der Traum, den viele Kinder träumen, wenn sie in
ihrer Phantasie den Überfluss durchspielen: einmal in einem riesigen Supermarkt
eingeschlossen werden und nach Herz und Laune rumsauen können die ganze Nacht. Cala Ratjada ist der Supermarkt
für uns und für eine Woche im Sommer existiert die Stadt nur, um dem neuen
Leben nach der Arbeit die Komplexität zu nehmen. Die ersten Schritte in der
Freiheit enden vor Gespritzten und Mesclat-Eimern..
Wenn freitags und samstags die Zubringerbusse in die Stadt
schaukeln mit Tausenden Feierwilligen aus Berlin und Köln, Düsseldorf und
Leipzig, Bühl und Laubach, Bremen und Stuttgart, Bonn und Frankfurt, Oldenburg
und Stralsund, Duisburg und Wolfsburg rufen wir ihnen entgegen: „HEY, DAS GEHT
AB! WIR HOLEN DIE MEISTERSCHAFT!! Wir feiern hier nicht, wir eskalieren! Wir
werfen dann die Arme in die Luft, schreiend, glücklich. Hey das geht ab ist
unser Lieblingswort, wir rufen es
nachmittags bei der Sangria-Bacardi-43-BacardiC-Jörg Marin
Spezial-Ladykiller-Bols-Havanna Mezzo
Mix-Sekt Redbull-Restgemisch aus der Kühlbox-Party,
beim Desperado-Gemetzel mit zeitungslesendem Tarn-Spanier aus Lichterfelde West
mit der Bergmannstraße und abends bei der Tequila-Randale
im Cocos Pool, der Disco Bolero mit den
Plastikreliefs an den Wänden, die an die Azteken erinnern sollen, beim
Pokaltrinken(groß natürlich sagte ick..) im
Biergarten und auch im Casanova mit freiem Oberkörper, obwohl man dort schnell
Hausverbot bekommt und manchem gesagt wird, es wäre besser, wenn er jetzt geht. Und immer schön die Hände über den Kopf, wir
sind ja schliesslich keine Handballer. Zwischendurch
noch mal zwanzig Vfl Wolfsburg, ja hier, mitten im
Bolero!!
Ja, wir hätten Zeit, Lust und Durst, Reihenfolge je nach
Gemütslage!!Eskalation heißt hier Kontrollverlust, Hey das geht ab! ist das
Wort des Sommers, das Urlaubsziel für bis zu sieben Tagen in einem dritt- oder
viertklassigen Hotel, ohne Kissen, ohne Decken und mit stinkenden Füßen im
Gesicht aber vor allem mit täglichem Kampf ums Klopapier. Doppelzimmer waren
gebucht, 4-Mann-Zellentrakt ist es geworden.. Derweil
kümmert sich die Ameisenstraße um die Reste der 5-6 Pizzen (komplett das große
Wagenrad wie jedes Jahr..) auf dem Balkon..Und
Feueralarm stört den Portier nicht:“Habt ihr Rauch gerochen? Antwort: Nein..Na,
dann ist nichts, so sagt er dann..
Die Frage ist, ob jeder weiß, wann die Eskalation enden sollte,
und ob er dann auch noch fähig ist, die Kontrolle aus eigener Kraft wieder an
sich zu reißen. Zum Glück geht es darum aber gar nicht in Cala
Ratjada, Stadt der Träume..
Die Stadt ist seit den fünfziger Jahren bei Touristen beliebt, die
günstig Urlaub machen wollen, sie wurde aber erst Anfang der Neunziger von
Reiseveranstaltern entdeckt, die nach neuen Kunden suchten und testeten, ob
sich Pauschal- und Party-Urlaub auch an Jungs und Mädels verkaufen lässt, die
nicht viel Geld ausgeben wollen..Hier können wir nicht viel dreckig oder kaputtmachen, weil das
meiste in der Stadt entweder aus Beton ist oder abwaschbar oder so billig, dass
man es mit wenig Aufwand austauschen kann, zumindest trifft das auf unsere
Absteige zu, weil sonst ist es ja schön hier..J)..!!
"Hätten wir nicht vorher was essen
sollen?" Und heißt es nicht HEY, WAS GEHT AB?
Es
ist die Sehnsucht nach Exzess, Kontrollverlust und auch mit dem Wunsch nach
Freiheit zwischen Arbeit und dem Rest des Lebens. "Once
in a Lifetime" haben sie auf Plakate in den Discos
von CR gedruckt, einmal im Jahr, es ist das Versprechen was wir uns geben: Die
Chance auf die beste Party nach der Konfirmation gibt es jedes Jahr nur einmal,
jetzt, sei dabei, und du wirst den Moment nie vergessen. Nach der Eskalation
kehren die Britzer Jungs und ihre Bremer Freunde wieder zurück in ihr normales
Leben, das leiser sein wird als das an der Cala Agulla.
Vormittags
am Strand warten wir immer auf „Hab ick gesagt Arsch
melde Dich?“ Die Eimer am Ballermann sehen aus wie
die Hausmülleimer mit zwei Griffen, die Ikea verkauft, sie sind zu einem
Drittel voll mit pappiger Sangria, Orangenscheiben und Eiswürfeln, aber hier an
unserer Cala gibt es gepflegte Drinks mit Kultur und
beim Ladykiller 43er mit Wodka und Tequila zeigt
sich, wer zuletzt lacht, lacht am besten und so manche Damengruppe muss zur
ersten Hilfe in den Dünen nach dem rechten schauen..Wir wissen, was passiert:
nach 20 Minuten folgt Gesang, der in Gegröle übergeht; nach einer halben Stunde
tanzen wir zum nachmittäglichen Mesclat. Einer sagt:
"Wenn wir Glück haben, zieht noch einer die Hose runter." Seine
Vorhersagen treffen präzise ein - bis auf die Hosen. Jemand stößt seinen
Sitznachbarn an: "Hätten wir vorher nicht was essen sollen?" Zum
Glück gibt es die traditionellen Ravioli mit saurer Gurke und man tauscht sich
über die gestrige Nacht aus. So mancher hatte Dirty
Dancing und „es war dirty!“
Man verliert leicht den Überblick in CR, es ist, als wäre man zum
ersten Mal in China: Jedes Gesicht sieht bekannt aus, als hätte man sich irgendwo
schon getroffen. In der Schlange vor dem Bolero, im Casanova, beim Tequila-Orange-Büfett im Chocolate
mit unserer ukrainischen Tennisspielerin? Die Jungs sind oft verwirrt. Es
hilft, wenn man den Tag nach den Getränken strukturiert, die man zu bestimmten
Uhrzeiten hatte, aber auch das ist keine Garantie, diejenigen wiederzuerkennen,
mit denen man letzte Nacht geredet und getrunken hat.
Am Strand brechen Schlagerlieder über die künftige deutsche Elite
herein, die Musik schwillt an und legt sich mit dem Lärm aus den anderen Kaskos
wie ein Teppich über die Ohren. Ach, der gute alte Kasko, wir ließen dich dort,
wo es am schönsten ist..
CR mit seinen Einwohnern, 199 Restaurants, 93 Hotels und 42
Discotheken verdient zwar gut an den Besuchern, doch seit einiger Zeit machen
sich Lokalpolitiker Sorgen über das Bild ihrer Stadt, dass die Touristen aus
Deutschland, aber auch aus Frankreich, Russland, England, Holland und Italien
ruinieren. CR hat manchmal die Party satt, aber in diesem Jahr ging die Party
schon morgens los und ein 5-Sterne-Hotel ist nicht immer Garantie für Ruhe,
wenn es gegenüber eines Baguetteladens liegt..HEY, DAS
GEHT AB!! Und Pokalsieger sind unsere Bremer Freunde auch noch geworden.
Der Stadtrat hat vor vier Jahren mehrere Verordnungen verabschiedet,
die unter anderem das laute Zuschlagen von Türen und Fenstern zwischen 22.30
Uhr und 7.30 Uhr untersagen; verboten ist auch Alkohol am Strand und auf den
Straßen, was ein großer Witz ist, da es wenige Leute gibt, die auf der Straße
und am Strand keinen Alkohol trinken. .
Und beim Strandgespräch wir darüber diskutiert, wer es nun war,
der dabei erwischt wurde, wie er einen Fisch aus dem Hotelaquarium fangen und
in ein Waschbecken mit Bacardi setzen wollte.. Mancher wird sich später
darüber beklagen, dass letzte Nacht im Bolero trotz anderslautender
Versprechungen auf Fotos und Flugblättern keine jungen Mädchen um die Stange in
der Mitte des Clubs tanzten. Man fliege doch nicht 2000Kilometer nach Spanien, "um einer dicken
60-Jährigen dabei zuzugucken, wie sie sich um eine Metallstange wickelt".
Eskalation war das in gewisser Weise zwar auch, nach dem Geschmack des gemeinen
Britzers allerdings in die falsche Richtung.. Mancher
ist noch nichts gewohnt, viele sind zum ersten Mal ohne Eltern im Urlaub und
hilflos, wenn im Badezimmer das Klopapier aufgebraucht ist. Sie laufen dann
nicht nach unten zur Rezeption, sondern tippen die Notrufnummer ihrer Omi ins
Handy. "Für viele musst du hier die Mutti spielen", sagt ein
bekanntes Mitglied der Britzer Familie. Und auch der Koffer, der Beschreibung
nach schwarz und mit Rollen, hat sich ja schliesslich
wieder angefunden..
Das Nachtleben beginnt auf
den Hotelbalkonen, kleinen Bühnen, auf denen sich Grüppchen von vier, fünf
Leuten sammeln und den anderen Grüppchen auf den gegenüber- liegenden Bühnen
mit Bierdosen und Sektflaschen zuprosten. Die Nacht ist bald auf dem Höhepunkt,
man ist in der Hauptlocation angekommen. Der Erste
von uns stolpert aus dem Bolero, Casanova, Cocos, Chocolate und kotzt fast auf den Asphalt, die Leute
applaudieren. Er hat das Reiseziel erreicht, die anderen eskalieren weiter..
Die anderen waren..Carsi,
Ralle, Moppicaner, Kirsche, Hugo, Clemi,
Piet, Matze, Henne und Nikki, Butschi, Schlemmi, Andi, Nico, Axel, Peter, Philipp, die
Bergmannstraße und die vielen anderen, die wir diesmal neu oder im Laufe der
Jahre wirklich lieb gewonnen haben!!
Dank Euch allen!!